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Bericht über die Chorreise 1981 in die Steiermark

Vom 6. bis 13. Juni unternahm die evangelische Kantorei Nagold eine Singfahrt nach Österreich. Anläßlich des Gustav-Adolf-Festes vor zwei Jahren in Nagold wurden freundschaftliche Bande mit Besuchern aus der Diaspora in der Steiermark geknüpft, die zu einer spontanen Einladung des Nagolder Chors in dieses österreichische Bundesland führte.
Nach intensiven Vorplanungen einer kleinen Organisationsgruppe des Chors in Verbindung mit dem Superintendenten der Steiermark, Herrn Knall, konnte die Fahrt am Pfingstsamstag wohlvorbereitet beginnen. Der Bus kam erstaunlicherweise zügig voran, sodaß wir bereits eineinhalb Stunden vor der "Quartierverteilung" in Salzburg waren, wo die dortige evangelische Gemeinde der Christuskirche Gastgeber für die ersten beiden Tage war. Nach einem Besuch des Mirabellgartens mit seiner herrlichen Rosenpracht erfolgte die nicht ganz problemlose Verteilung der Unterkünfte. Wir waren immerhin 50 Reisende, die in der pfingstlichen Hochsaison teilweise privat, teilweise in Pensionen untergebracht werden mußten.
Am Pfingstsonntag wirkten wir im Gottesdienst in der Christuskirche mit. Erstaunt waren wir über die Gepflogenheit, daß nach jedem Gottesdienst die Kirchgänger zu Kaffee und Kuchen in das Pfarrhaus eingeladen werden, was in der Diaspora verständlicherweise dankbar angenommen wird. Es fragt sich, ob nur dort? - Nachmittags konnten wir bei strahlendem Sonnenschein wenigstens einen Teil Salzburgs kennenlernen. Am Abend erklang in der Christuskirche unser erstes geistliches Konzert.
Im Mittelpunkt des Programms standen auch in den vier weiteren Konzerten unserer Reise - Ernst Peppings "Deutsche Messe - Kyrie Gott Vater in Ewigkeit" für vier- bis sechsstimmigen gemischten Chor a capella und Johann Sebastian Bachs achtstimmige Motette "Komm, Jesu, komm". Diese beiden Werke wurden umrahmt von pfingstlichen
Choralmotetten, gregorianischem PsaImgesang und verschiedenen Orgelwerken, die entweder von unserem Kantor Gerhard Kaufmann oder von Rudolf Schmid gespielt wurden.
Am Pfingstmontag führte uns der Weg über den Wolfgangsee und Bad Ischl nach Admont, einem jahrhundertealten Klostersitz. Admont besitzt die größte Stiftsbibliothek der Welt mit 120 000 Bänden, eindrucksvollen Plastiken von Stammel und Deckengemälden von Altomonte. Ein Teil unserer Gruppe zog eine kleine Wanderung durch das "Gesäuse" der Besichtigung der Bibliothek und der Museen vor.
Wir befanden uns nun schon inmitten der Steiermark, wo wir in Rottenmann am gleichen Abend unseren nächsten Auftritt hatten. Es war nicht immer einfach, "unsere" Kirche zu finden. In der Steiermark sind ja nur fünf bis sechs Prozent der Bewohner evangelisch, so daß die evangelische Kirche nie die Hauptkirche eines Ortes ist. So konnten wir auch nicht enttäuscht sein, wenn wir keine überwältigende Zahl von Zuhörern vorfanden - es waren jeweils zwischen vierzig und einhundert. In sich anschließenden Gesprächen mit den Hörern kam jedoch eine so große Dankbarkeit
für unser Kommen und unsere Darbietungen, aber auch ein echtes Erstaunen über die Qualität unseres Gesangs zum Ausdruck, daß wir uns keinerlei Sorgen darüber zu machen brauchten, ob die Evangelischen der Steiermark überhaupt so richtig Kenntnis von der Anwesenheit der Nagolder Kantorei nahmen.
Die Kirche in Rottenmann war die kleinste Wirkungsstätte unserer Reise. Wir befürchteten fast, mit unserem Fortissimo die Mauern zu sprengen. Nach einem liebevoll bereiteten Imbiß im Pfarrhaus fuhren wir noch am selben Abend etwa 150 Kilometer in unser "Hauptquartier", dem evangelischen Bildungshaus Deutschfeistritz, etwa 20 Kilometer nördlich von Graz. Es war nicht einfach, in der Zeit um Mitternacht das mitten im Wald mit einer beinahe nicht zu bewältigenden Zufahrt gelegene Haus zu finden. Erst gegen 1 Uhr hatte jeder sein Bett und das Haus seine Ruhe gefunden. Vier Nächte lang hatten wir hier unser Zuhause und auch tagsüber immer wieder Zeit, das angenehm ausgestattete Haus und seine reizvolle Umgebung zu genießen.
Am Dienstagnachmittag fuhren wir durch Graz hindurch nach Fürstenfeld, das nur noch wenige Kilometer von der ungarischen und jugoslawischen Grenze entfernt ist. Vor und nach unserem Konzert, das in einer sehr geschmackvoll im Jugendstil gestalteten Kirche erklang, wurden wir in einer Weise bewirtet, die uns fast beschämen mußte, zumal wir wußten, daß dieses Gebiet einer der ärmsten Teile Österreichs ist. So servierte man uns in einem vornehmen Hotel ein vorzügliches Menü, gespendet von Mitgliedern der dortigen evangelischen Gemeinde.
Der Mittwoch war unser einziger konzertfreier Tag. Da es regnete, konnten wir leider nicht, wie vorgesehen "Roseggers Waldheimat" erwandern. So fuhren wir zur nahegelegenen "Lurgrotte", mit ihren riesigen Ausmaßen die größte Tropfsteinhöhle Österreichs. Länger als eine Stunde dauert der Gang durch diese faszinierende unterirdische Welt mit den vielfältigen Tropfsteingebilden, denen jeder Betrachter seine eigene Deutung geben kann (unser Kantor versuchte seine Eindrücke in urigen neuen Wortschöpfungen auszudrücken). In dem großen unterirdischen "Dom" sangen wir einige Lieder, zur Freude unserer engagierten Höhlenführerin, die zugleich Besitzerin der Grotte ist. Nach fröhlichem Mahl in der Grottenwirtschaft besichtigten wir noch die gotische Wallfahrtskirche Straßengel. Den Abend verbrachten wir gesellig, vor allem mit Spielen.
Der nächste Tag erfreute uns wieder mit ganztägigem Sonnenschein. Das richtige Wetter für das schöne Graz! Nachdem wir die harmonische Anlage der Kreuzkirche in Augenschein genommen und auch kurz dort geprobt hatten, durften wir für einige Stunden Graz "erobern". Einkäufe beim "Steirischen Heimatwerk", Bewundern der schönen Altstadtgebäude, vor allem aber der Blick vom Schloßberg - einer einmalig gepflegten Anlage - auf die Stadt gehörten zum Individualprogramm. Auch nach dem Abendkonzert saßen wir nochmals gemeinsam auf der Gartenterrasse des Schloßbergrestaurants zum Nachtmahl.
Zuvor hatte Superintendent Knall seinen Dank für die tatkräftige Initiative des Nagolder Chors ausgesprochen und von den jahrhundertealten Verbindungen der Steiermark zu Württemberg erzählt; so wirkte z. B. Johannes Kepler aus Weil der Stadt von 1594 bis 1600 in Graz und mußte diese Stadt im Zuge der Gegenreformation verlassen.
Der aufmerksame Leser hat dem Bericht bereits entnehmen können, daß die Nächte recht kurz waren. Selten waren wir um Mitternacht "zu Hause".
Am Freitag hieß es Abschied nehmen von Deutschfeistritz. Auch hier ein musikalischer Abschied mit Teilen aus unserem Volksliedprogramm. Unsere letzte Station vor der endgültigen Heimfahrt war der bekannte Wintersportort Schladming - bereits wieder an der Grenze zum Salzburgerland. Hier sind ausnahmsweise etwa 50 Prozent der Bevölkerung evangelisch. Eine große, weithin sichtbare evangelische Kirche gibt Zeugnis davon. Dies und verschiedene andere Gründe mögen dazu beigetragen haben, daß unser letztes Konzert nochmals besonders gut gelang und auch für manchen Sänger ein beglückendes Erlebnis wurde. Im schönen "Moserhof" waren wir für die letzte Nacht angenehm untergebracht. Dort fühlte man sich nach einer guten Bewirtung nochmals wohl "bis zur späten Mitternacht".
In abenteuerlicher Fahrt mit unserem großen Bus befuhren wir auf dem Rückweg am Samstag noch die Nebenstrecke über die Ramsau, Filsmoos, für unseren Fahrer Jochen die letzte Bewährungsprobe. Wohlbehalten und zufrieden, aber auch müde trennten wir uns abends in unserer Heimatstadt nach dieser in vielfacher Hinsicht beeindruckenden Singreise.

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