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Bericht über die Chorreise 1997 nach Dresden
Kantorei genießt sonniges Sachsen
Nagold. Die traditionelle Chorreise zu Beginn der Sommerferien
führte die Kantorei Nagold nach Sachsen. Kirchenmusikdirektor Ingo
Bredenbach und sein Praktikant Martin Hagner hatten in den vergangenen
Wochen ein anspruchsvolles Programm einstudiert, das zum Teil schon in
Nagold zur Aufführung gekommen war.
Aber nicht nur Musik sollte in diesen Tagen wichtig werden, sondern auch
Begegnung, Kommunikation, Abstand zum Alltag und vor allem das Kennenlernen
von Dresden und seiner Umgebung. 75 Choristen hatte Bredenbach für
diese Reise begeistern können - und keiner wurde enttäuscht.
Trotz sehr langer Fahrt trat keine Hektik, aber auch keine Langeweile
auf. Auf der Hinfahrt wurde eine längere Pause zu einem kühlen
Bad im Stausee Pöhl bei Plauen genutzt; ein weiterer Zwischenhalt
ergab sich im anmutigen Vogtland mit der imponierenden Göltzschtalbrücke
(man beachte die 7 aufeinanderfolgenden Konsonanten) - eine 150 Jahre
alte Eisenbahnbrücke, erbaut aus 26 Millionen Ziegelsteinen: allein
dieses Industriedenkmal ist eine Reise wert. Quartier machte die Kantorei
in der Fachschule für Diakonie der Landeskreise Sachsen in Moritzburg,
ein erst im Mai 1997 eröffneter Neubau.
Leider standen nur zwei halbe Tage freier Zeit zur Verfügung, um
Dresden und seine Umgebung kennenzulernen. Aber immerhin genügte
diese Zeit, um so viele Anregungen zu gewinnen, dass die nächsten
Besuche in dieser Gegend schon geplant wurden. Die historische Innenstadt
ist weitgehend restauriert; die viel zitierte Ruine der Frauenkirche steht
im Mittelpunkt des touristischen Interesses. Der karge Innenraum der Kreuzkirche
lenkt die Gedanken über den Kreuzchor bis zu Heinrich Schütz
und lässt den Besucher fast erschauern ob der kirchenmusikalischen
Dimension dieses Ortes. Ein Ausflug nach Pillnitz, der Sommerresidenz
der sächsischen Fürsten, mit Besichtigung der Weinbergkirche
und der kleinen Barockkirche »Maria am Wasser« sowie eine
entsprechende Rückfahrt mit dem Elbdampfer zurück nach Dresden
bei Toscanawetter und sächsischem Weißwein ermöglichten
einen Eindruck von der so ansprechenden Umgebung der sächsischen
Landeshauptstadt.
Vor dem Konzert in der Martin-Luther-Kirche in der Neustadt stärkten
sich die Sängerinnen und Sänger in »Pfunds Molkerei«.
Am Samstag teilte sich der Chor in mehrere Gruppen, wobei die Summe aller
Eindrücke aber auch nur einen Bruchteil von den Möglichkeiten
um Dresden herum ergeben würde.
Unter dem Motto »Ein jegliches hat seine Zeit« hatte Bredenbach
ein spannungsreiches Programm erstellt, von Orlando di Lasso über
Schütz, Bruckner, Rheinberger, Bruch zur Moderne mit Petr Eben und
R. Helmschrott, wobei Klaus Herrmann als Solo-Posaunist und auch Ralf
Brauer als Bariton sich glänzend in diesen Spannungsbogen einpassten.
Während der Brückenschlag zwischen Aufführenden und Zuhörern
in der düsteren Atmosphäre der Lutherkirche die Aufführung
durch die Betonung der inhaltlichen Aussagen mehr in die Nähe eines
Gottesdienstes rückte, geriet das Konzert in der Marienkirche von
Großenhain zum eigentlichen religiösen Ereignis. Chor und Solisten
hatten die Raumatmosphäre des barocken Baues mit übereinander
gestaffeltem Altar, Kanzel und Orgel in glücklicher Weise erfasst,
so dass die Aussage in Petr Ebens Motette »De tempore« von
1991 »Geh also hin und iß dein Brot mit Fröhlichkeit«
für die gesamte Aufführung bedeutsam wurde und von den zahlreichen
Zuhörern mit spürbarer Anteilnahme aufgenommen wurde.
Am Samstagmorgen gestaltete die Kantorei den Gottesdienst in der Kirche
von Moritzburg mit und es erklang nochmals Musik aus dem Konzertprogramm.
In einer eindrucksvollen Predigt zum »Israel-Sonntag« stellte
Pfarrer Merkel den Zuhörern vor Augen, welche schwere Aufgabe das
Volk Israel in der Suche nach dem Frieden zu bewältigen hat. Der
spontane, freundliche Beifall, den die Gemeinde dem Chor mit auf den Heimweg
gab, ließ allen den Abschied vom sommerlich-sonnigen Sachsen nicht
leicht werden.
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