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aus dem Schwarzwälder Boten vom 19.9.1994

Der Erfolg gibt Bredenbach recht

Bach-Marathon in der Stadtkirche war ein gelungenes Abschiedsgeschenk für Dekan Götz

Nagold. Er konnte wohl zu Beginn eine gewisse eigene Skepsis angesichts des gewagten Unterfangens nicht mehr verleugnen. Als am vergangenen Samstag abend die "Bach-Nacht Nagold" in der evangelischen Stadtkirche eröffnet wurde, nahm Bezirkskantor Ingo Bredenbach in seiner Begrüßung offen das Wort "Zumutung" für ein fünfstündiges Konzert in den Mund, das in dieser Form für Nagold bisher einzigartig ist.

Nun, wer Bredenbach kennt, weiß dass er sich nur wenig vom Zufall dazwischenpfuschen lässt. Und so ging auch hier wieder letztendlich seine Rechnung auf. In einer für Kirchenkonzerte ziemlich untypischen lockeren und gelösten Atmosphäre ging die Bach-Nacht über die Bühne, und so dürften schließlich im Publikum die letzten Zweifel an den Grenzen der eigenen Aufnahmefähigkeit angesichts solcher Dimensionen zerstreut worden sein. Es wurde, als was es angekündigt worden war: Ein "ergötzliches Kaleidoskop".

Es muss hier Bredenbachs Geschick bei Planung und Ausführung schon allein des äußeren Rahmens gewürdigt werden. Im Bewusstsein, dass es nicht damit getan ist, irgendwie fünf Stunden Musik von Bach zusammenzustochern und dann über die Zuhörer zu kippen, organisierte er den Ablauf so, dass niemand sein Durchhaltevermögen über Gebühr beanspruchen musste. Die fünf Stunden waren gegliedert in gleichviel Abschnitte von 45 bis 55 Minuten Spieldauer mit anschließenden Pausen. So konnte jeder Besucher je nach Lust und Laune alles anhören, später einsteigen, früher aussteigen. Diese Möglichkeit wurde auch weidlich genutzt, interessanterweise schien die Größe des Auditoriums trotz Kommens und Gehens konstant zu bleiben - Tendenz eher zunehmend!

In jedem Abschnitt wurden Werke unterschiedlicher Gattungen zu Gehör gebracht, so wechselten sich Orgel- und Cembalowerke ab mit Kammermusik, Orchesterwerken und sakralem Chor und Sologesang. Neben solcher Farbvielfalt in der Programmzusammenstellung dienten schließlich in jede Stunde eingestreute "Highlights" des Bachrepertoires dazu, die Aufmerksamkeit immer neu zu mobilisieren - beispielsweise die berühmte Orgeltoccata und Fuge in d-Moll, das Italienische Konzert F-Dur für Cembalo, das Brandenburgische Konzert Nr. 5 D-Dur. Als besonders aparte Idee darf gelten, bestimmte Stücke, dem Brauch der Barockzeit entsprechend, auch in unterschiedlichen Klanggewändern zu präsentieren. So konnte beispielsweise im weiteren Verlauf gerade das Italienische Konzert auch in einer Fassung für Streichorchester gehört werden (bearbeitet von Orchesterchef Wolfgang Richter).

Es muss ferner als besondere Leistung gewertet werden, dass das umfangreiche Repertoire mit einer überraschend geringen Anzahl Mitwirkender verwirklicht wurde. Neben Bredenbach und der evangelischen Kantorei wirkten gerade noch zwölf Vokal- und Instrumentalsolisten mit: Eva-Magdalena Ammer (Sopran), Sibrand Basa (Tenor), Andrea Beck (Querflöte), Beate Bredenbach (Violine), Martin Schmelcher (Trompete), Antje Rink und Rudolf Schmid (beide Orgel), schließlich die capella piccola meerbusch, ein solistisch besetztes Streicherensemble mit Wolfgang Richter, Judith Schween, Christiane Haupt, Dan Zemlikka und Thomas Schlink. Da eine angemessene Würdigung der künstlerischen Leistungen all dieser Interpreten im Umfange der Bach-Nacht den Rahmen dieses Berichtes sprengen würde, soll dies in einer später nachfolgenden Besprechung vorgenommen werden.

Es sei aber bereits an dieser Stelle gesagt, dass der Erfolg dem Nagolder Bezirkskantor wieder einmal recht gegeben hat: Als Gesamteindruck blieb eine neue Erfahrung der Bachrezeption in großer Vielfalt, Frische und Farbigkeit. Der Applaus während und am Ende des "Marathons" zeigte, dass das Publikum das Angebot dankbar angenommen hatte: Ein gelungenes Abschiedsgeschenk für den scheidenden Nagolder Dekan Götz.

Martin Kalmbach


aus dem Schwarzwälder Boten vom 21.9.1994

Gott allein die Ehre

Nachtrag zur Bach-Nacht / Mehr als ein Spektakel

Nagold. Leider sind den Wortspielen Grenzen gesetzt. Wenn zur Verabschiedung eines Dekans Götz ein er-"götz"-liches Kaleidoskop in Form einer fünfstündigen Bach-Nacht von einem Bezirkskantor namens Breden-Bach angekündigt worden war, dürfte der eine oder andere Skeptiker in sich hineingeschmunzelt haben - zu Unrecht, wie sich am Samstagabend zeigte: Paradoxerweise bekamen die Besucher der Nagolder Stadtkirche keinen breden Bach vorgesetzt.

Über den gelungenen äußeren Ablauf des Ereignisses war ja bereits berichtet und im gleichen Zusammenhang schon die hohe Qualität der Ausführung angesprochen worden. Bezirkskantor Bredenbach hat sich mit der Pflege Bachscher Musik während seines ganzen Wirkens in Nagold immer wieder in dankenswerter Form hervorgetan und davon profitierte der Abend in nicht zu unterschätzender Weise. Ganz gleich, ob er als Organist, Cembalist oder Dirigent aufs Podium stieg, immer war seine große Erfahrung mit Bachs Werk präsent.

Plastische Gestaltung des musikalischen Verlaufs durch wohlüberlegte Artikulation und leichte Agogik, gutes Gespür für die richtigen Tempi gemengt mit der erforderlichen Virtuosität sind die Kennzeichen Bredenbachscher Interpretation, die an einer großen Zahl von Beispielen betrachtet werden konnten, so im Italienischen Konzert, im Brandenburgischen Konzert Nr. 5, bei der Präsentation der Kantorei. Seine Fähigkeit, sich partnerschaftlich in ein Ensemble einzufügen, stellte er im Continuospiel und im Zusammenwirken mit seiner Frau Beate Bredenbach (Violine) unter Beweis. Die vom Duo der Eheleute Bredenbach musizierte h-Moll-Sonate bestach durch Expressivität und Temperament.

Zu großen Hoffnungen berechtigt die angehende Musikstudentin Antje Rink, Bredenbachs Schülerin, die die ihr anvertrauten Aufgaben in Orgel- und Cembalospiel beeindruckend löste und vor allem den rhetorischen Grundgestus der großen g-Moll-Orgelfantasie ihrem Publikum in zwingender Weise vor Augen führte. Der in Nagold inzwischen wohlbekannte Mitstreiter Bredenbachs, Orchesterchef Wolfgang Richter, hatte aus Meerbusch dieses Mal eine kleine, aber schlagkräftige Streichergruppe mitgebracht. Das kammermusikalische, schwungvolle und transparente Zusammenspiel der "capella piccola meerbusch" war ein Stützpfeiler des Programms. Hinzu traten im Verlauf des Abends immer neue Vokal- und Bläsersolisten, zunächst Andrea Beck mit den schwungvoll gespielt und tonlich fein kolorierten Flötensoli, dann Anna-Magdalena Ammer (Sopran) und Martin Schmelcher (Trompete), deren gelungenes Zusammenwirken von geschickt beweglicher Stimme und - trotz strahlkraftanpassungsfähigem Trompetenton die berühmte Soprankantate "Jauchzet Gott in allen Landen" als Wechselspiel zweier gleichberechtigter Solisten darstellte. Erst in der letzten Stunde des Programms kam Sibrand Basas schöner, für Bach-Musik wohl ideal timbrierter Tenor in zwei Kantatenarten zu seinem Recht. Die Evangelische Kantorei Nagold, während der ganzen Bach-Nacht immer wieder im Einsatz, ist unter Bredenbachs Leitung zu einem beweglichen und ausgewogenen Klangkörper geworden, der die Intentionen Bredenbachscher Interpretation überzeugend verwirklicht.

Der Erfolg und die herzliche Aufnahme der Bach-Nacht beim Publikum mag hier für sich sprechen: Nach fünf Stunden heischte der Beifall noch nach einer Zugabe. Dass es Bredenbach auch in diesem Konzert um bedeutend mehr als um das Spektakel ging, bewies er, indem er dem Applaus Einhalt gebot und sein Publikum mit dem Motto entließ, mit dem Bach seine Partituren zu signieren pflegte: Soli Deo Gloria - Gott allein die Ehre.

Martin Kalmbach

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