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Die Aufführungen der Johannespassion von J.S.Bach fanden am Samstag , 15. April 2000 in der Ev. Kirche in Grömbach und am Sonntag, 16. April 2000 in der Ev. Stadtkirche Nagold statt.

 

Die Mitwirkenden

Viola Wiemker (Sopran)
Jürgen Banholzer (Altus)
Friedemann Hecht (Evangelist & Tenor)
Markus Flaig (Bass, Pilatus & Petrus)
Anselm Richter (Jesus)

Traversflöten : Agnes Karasek, Aki Matsushige

Oboen : Eva Endel, Constanze Petersmann

Fagott : Albrecht Holder

Orgel : Ingo Bredenbach

Violinen : Katja Schönwitz (Konzertmeisterin), Eva-Maria König, Jenping Chien, Judith Schween, Regine Killian, Jeannette Dorée,
Chiharu Abe, Doris Blaich

Viola : Bernhard Moosbauer (& Viola d'amore), Max Bock (& Viola d'amore), Judith Harbach

Bassgruppe : Marion Gast (Continuo-Cello), Anette Knierim (Cello),
Robert Sagasser (Violone & Gambe)

Ev. Kantorei Nagold

Leitung : Stefan Skobowsky

 

Aus dem Programmheft :

Entstehung und Aufführungsbedingungen der Johannespassion

Im Frühsommer 1723 war Johann Sebastian Bach als Thomaskantor von Köthen nach Leipzig übergesiedelt. Hatte Bach in den Jahren zuvor als Konzert- und Kapellmeister höfische Suiten und Konzerte, zweckgebundene Orchester- und Kammermusik zur Unterhaltung der Gesellschaft am Hof geschrieben, konnte er sich nun als Director musices, als allein Verantwortlicher für die Musik in den Leipziger Kirchen, wieder der Musik zum Lob Gottes widmen. Sofort machte er sich mit Eifer an das Komponieren kirchenmusikalischer Werke; Kantaten, Motetten, einzelne Messsätze, das Magnificat entstanden. Schon ein Jahr später führte er am Karfreitag, dem 7. April 1724, die "Johannes-Passion", sein erstes erhaltenes vokales Großwerk, in Leipzig auf.

In Leipzig wurde die damals noch junge Tradition gepflegt, die im ganzen deutschsprachigen Raum populären Passionsmusiken und -oratorien im Rahmen eines Gottesdienstes aufzuführen. Allerdings wurde dies von der kirchlichen Obrigkeit zunächst auf die Leipziger Nebenkirchen beschränkt. So wurde 1717 erstmals in der Neukirche ein Passionsoratorium musiziert. Doch bereits 1721 komponierte Bachs Amtsvorgänger Johann Kuhnau eine Markuspassion, die in der Karfreitagsvesper der Thomaskirche, der Hauptkirche Leipzigs, erklang.

Auch Bach wollte sein neues großes Werk hier aufführen: Auf dem Titelblatt des Textbuches zur Johannes-Passion von 1724, das er auf eigene Rechnung herstellte und vertrieb, kündigte er die Thomaskirche als Aufführungsort an. Diese Eigenmächtigkeit brachte ihm nicht nur den Tadel des Superintendenten ein, er musste zudem auf Weisung des Rates der Stadt Änderungszettel drucken.

Die Uraufführung der Johannes-Passion wurde schließlich auf die Karfreitagsvesper in der Nikolaikirche verlegt. Aus seiner Jugend kannte Bach die von Bürgern organisierten Aufführungen und abendlichen Kirchenkonzerte in Hamburg und Lübeck. Vielleicht hatte er bei einer seiner Reisen, die er dorthin als Internatsschüler von Lüneburg und später als jungbestallter Organist von Arnstadt aus unternahm, auch die Aufführung einer oratorischen Passion miterlebt, die nicht nur in Kirchen, sondern auch in Konzertsälen der Stadt veranstaltet wurden. Die bekannteste dieser Passionen war das Oratorium "Der für die Sünde der Welt Gemarterte und Sterbende Jesus". Der Text, eine freie Nachdichtung nach der Bibel, stammte von dem Hamburger Ratsherrn Barthold Heinrich Brockes und wurde 1712 von Reinhard Keiser vertont. Zur Aufführung in Brockes Privathaus kamen weit über 500 Zuhörer. Etliche Komponisten von Rang und Namen benutzten Brockes Textvorlage ebenfalls für ihre Passionsmusik: Händel, Telemann, Mattheson.

Auch Bach zog für seine "Johannes-Passion" neben dem Passionsbericht nach dem Evangelisten Johannes die oratorische Dichtung von Brockes heran. Allerdings wurde für die insgesamt acht Arien und Ariosi Brockes Text zum Teil stark überarbeitet. Weicher Dichter Bach bei dieser Arbeit und der Ausarbeitung des Librettos unterstützte - war es der seit 1720 in Leipzig ansässige, gut fünfzehn Jahre jüngere Picander, der einige Texte zu Bachs Kantaten verfasste? - lässt sich nicht mehr ermitteln. Dass Bach auf den Originalbericht aus dem Evangelium zurückgriff und zudem noch 12 Kirchenliedstrophen (Symbol für die 12 Jünger, die christliche Gemeinde) sowie den eng an Psalm 8, 2 sich anschließenden Text "Herr unser Herrscher" in sein Werk einflocht, liegt in der liturgischen Einbettung des Werkes in den Vespergottesdienst begründet: Während in der freien, weltoffenen Handels- und Messestadt Hamburg die Bürger sogar Eintritt zu den opernhaften, teils szenischen Passionsaufführungen bezahlten, umrahmten die beiden Teile von Bachs Johannes-Passion die Predigt des Superintendenten - Musik und liturgische Form durften sich nicht zu weit von gottesdienstlichen Traditionen entfernen.

Neben der Einteilung in zwei Teile gibt Bach seiner Passion eine klare Struktur. In 40 Nummern - 40 als Synonym für Zeiten der Not (40 Tage Sintflut, 40 Jahre Wanderung durch die Wüste, Jesu Versuchung nach 40 Tagen in der Wüste) - wechseln sich der rezitierte Evangeliumstext und freie Dichtung in Arien, Chören und Chorälen ab. Die lange Tenor-Arie Nr. 20 "Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken" bildet die Mitte des Werkes. In ihrer leisen, solistischen Besetzung von Solo-Tenor mit 2 Violen d'amore, Gambe und Orgel - allesamt "historische" Instrumente, mit einem ganz eigenen Klangreichtum - wird dieses längste Stück der Johannes-Passion zum kontemplativen Ruhepunkt des Werkes.

Eine weitere Achse legt Bach durch die paarig angeordneten Turbae-Chöre: Die wilden Volkschöre "Kreuzige" und "Weg, weg mit dem", "Wir haben ein Gesetz" und "Lässest du diesen los", sowie "Sei gegrüßet" und "Schreibe nicht" sind um den Choral Nr. 22 symmetrisch angeordnet. In ihm wird die zentrale Aussage reformatorischer Theologie formuliert:

"Durch dein Gefängnis Gottes Sohn,
muss uns die Freiheit kommen;
Dein Kerker ist der Gnadenthron,
die Freistatt aller Frommen;
denn gingst du nicht die Knechtschaft ein,
müsst unsre Knechtschaft ewig sein."

Die unmittelbare Wirkung der Johannes-Passion liegt allerdings nicht nur in dieser wohldurchdachten Großform des Werkes begründet: Die Sprache wird von Bach meisterhaft in musikalisch-rhetorische Figuren übertragen , Schilderungen oder Worte werden plakativ in der Musik widergespiegelt: In Nr. 1 "Herr unser Herrscher" beispielsweise werden alle Chorstimmen bei den Worten: "In der größten Niedrigkeit" zu ihrem jeweils tiefsten Ton geführt. Im Rezitativ Nr. 2a spiegelt das Ab- und Aufsteigen in der Melodie der Evangelisten-Partie genau den Gang der Jünger Jesu hinab ins Tal und über den Bach Kidron hinauf in den Garten Gethsemane wieder.

Unsere heutigen, modernen Instrumente sind auf klangliche Ausgewogenheit ausgerichtet und "wohltemperiert", das heißt ganz gleichmäßig gestimmt. Zu Bachs Zeiten wurde dagegen ein Instrumentarium verwendet, das über viele Klangfarben, über "gute", brillant klingende, und "schlechte", das heißt blass, ja bisweilen sogar hässlich klingende Tonarten verfügte. Bach verwendet die Klangfarben und Effekte der Instrumente seiner Zeit ganz bewusst für die Ausgestaltung und Verdeutlichung des Geschehens: den unverwechselbaren weichen, schwebenden Klang der Holz-Traversflöten in Nr. 9 "Ich folge dir gleichfalls", die düstere Todes-Stimmung von Flöte und Oboe da caccia im fahlen und zerbrechlich klingenden f-moll von Nr. 35 "Zerfließe mein Herze", die hässlichen Harmonien der ungleichschwebend gestimmten Orgel bei der Stelle "daß er gekreuziget würde" in Nr. 23 g, das Donnern und Beben der Streicher, wenn in Nr. 33 und 34 vom Erdbeben die Rede ist, schließlich das Klagen und Seufzen der Gambe in Nr. 30 "Es ist vollbracht".

Stefan Skobowsky

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