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aus dem Schwarzwälder Boten vom 27.11.2000
Sprachrhythmus
erfordert vom Chor besonderes Gespür
Nagold. Zum Auftakt der Nagolder Musikalisch-Theologischen Woche
über "Psalmen" fand am Samstagabend in der Evangelischen
Stadtkirche ein großes Gesprächskonzert für Chor und Orchester
statt. Unter der Leitung von Stefan Skobowsky sang die Nagolder Kantorei,
begleitet vom Meerbuscher Kammerorchester (Einstudierung Wolfgang Richter),
mit dem die Kantorei einen jahrelangen Kontakt pflegt.
Stefan Skobowsky gab zu Beginn der einzelnen Programmnummern Hinweise
auf die Biografie der jeweiligen Komponisten und erläuterte auch
mit Klangbeispielen die Kompositionen. Am Anfang des Abends stand der
sechste Bußpsalm aus den "Psalmen Davids" "Aus der
Tiefe ruf ich, Herr, zu dir" aus dem Jahre 1619 von Heinrich Schütz
(1585-1672), den der Komponist für zwei Favoritchöre schrieb,
die wie an diesem Abend auch mit Instrumenten begleitet werden können.
Für Heinrich Schütz stand der vertonte Text mit seinem Sprachrhythmus
ganz im Mittelpunkt seiner musikalischen Gedanken. Das erfordert vom Chor
ein besonderes Gespür für saubere Textgestaltung und durchsichtige
Linienführung. Die Kantorei sang mit der notwendigen Klarheit und
unterstrich eindrücklich den Psalmsänger, der aus der Tiefe
seiner Sündennot nach dem Herrn ruft und auf Vergebung harrt.
Den gleichen Psalm 130 hat Johann Sebastian Bach in den Jahren 1707/08
in seiner Kantate BWV 131 für Chor, Solisten und Orchester vertont.
Es war interessant, die beiden Psalmvertonungen direkt hintereinander
hören zu können. Der Kantorei gelang es in Zusammenarbeit mit
dem Orchester gut, die größere Farbigkeit und Klangfülle
dieses Werkes zum Ausdruck zu bringen. Der Bassist Markus Flaig konnte
mit seiner tragenden und vollen Stimme seine Arie über dem immer
wieder einfallenden Unisonochoral des Chores sehr schön entfalten.
Auch der Tenor Andreas Kramer fügte sich mit klarer und kräftiger
Stimme trotz leichter Erkältung ausgesprochen gut in den klangschönen
Rahmen der Kantate, der vom Meerbuscher Kammerorchester sorgsam aufgebaut
und exakt nachgezeichnet wurde. Eine erwähnenswerte Rolle spielte
die klangschön musizierende und sich an Melodiebögen sorgsam
ausrichtende Oboe mit Tobias Thomae.
In eine ganz andere Klangwelt wurde der Hörer dann mit fünf
biblischen Liedern op. 99 für Bass und Orchester von Antonin Dvoräk
(1894) versetzt, die ursprünglich für Klavierbegleitung komponiert
und teilweise von Dvorák selber orchestriert wurden. Gefühlsbetont
und mit lautmalerischen Gedanken versehen, bieten diese Lieder einen bunten
musikalischen Hintergrund zu einer intensiv zu gestaltenden Bassstimme.
Markus Flaig konnte diese Aufgabe sehr eindrücklich lösen.
Den Abschluss bildete Felix Mendelssohn-Bartholdy mit seinem 42. Psalm
"Wie der Hirsch schreit" für Soli, Chor und Orchester.
Orchester und Chor steigerten sich nochmals zu einem musikalisch sehr
kompakt und flüssig wirkenden Gesamteindruck, aus dem sogar der vom
Solotenor unterstützte Männerchor "Der Herr hat desTages
verheißen" angenehm hervortrat. Die Sopranarie "Meine
Seele dürstet nach Gott" wurde von Jeannette Bühler mit
schlanker und beweglicher Stimme gestaltet.
Der nicht voll besetzte Kirchenraum bot überraschenderweise der Akustik
eine ungewohnt sorgsam begrenzte Entfaltungsmöglichkeit. Der Eindruck
des Abends war musikalisch hochbefriedigend und zeugte von guter Zusammenarbeit
von Chor und Orchester. Der Beifall der Hörer war herzlich.
Ulrich Eißler
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