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aus dem Schwarzwälder Boten vom 17.10.2000
Zeitmaschine
fährt bis ins Jahr 1500
Gemeinsames
Konzert von Kammerorchester und evangelischer Kantorei in der Stadtkirche
Nagold. In einer Art Zeitmaschine befanden sich die zahlreichen
Zuhörer, denn die Musik, die am Samstag in der Nagolder Stadtkirche
gespielt wurde, setzte mit modernen Stücken ein und bewegte sich
sozusagen rückwärts bis ins Jahr 1500.
Der Leiter der Evangelischen Kantorei, Stefan Skobowsky, führte in
die Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Kammerorchester ein und überließ
dann das Wort Günter Sopper, Lehrer an der Musikschule und Komponist
der ersten drei Musikstücke.
Für ihn ist die bewusste Auseinandersetzung mit Musik heute wichtiger
denn je, denn oft werde man mit Melodien berieselt, selbst ein Werk wie
"Freude schöner Götterfunken" dudele einem entstellt
aus der Werbung entgegen.
Ganz gegensätzlich zu den Klangtrauben des Klaviers schwingen die
Geigen sanft und gleichmäßig. Die Streichinstrumente lassen
ausnahmsweise auch mal per Klopfen ihre Resonanzkörper erklingen.
Die "klangmischung 2000, frisch gemahlen", ließ vereinzelt
Fetzen bekannter Melodien erkennen und die Mitglieder des Orchesters konnten
ihr Können unter Beweis stellen.
Über die Töne B-A-C-H komponierte Max Reger zu Beginn des 20.Jahrhunderts
ein ganzes Werk, das Stefan Skobowsky vorstellte und an der Orgel spielte.
Dass es etwas schwer verdaulich sei, verschwieg er nicht, betonte aber,
dass Reger Bach sehr geschätzt habe und ihn damit ehren wollte. Gerade
zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts schritt die Musik auf neuen, sozusagen
"nicht singbaren Wegen".
Das Oratorium "Die Schöpfung" von Joseph Haydn wurde 1800
komponiert und wird in der Beliebtheit nur von "Messias" von
Händel übertroffen. Dieses Stück war von Anfang an so beliebt,
dass eigens Chöre dafür gegründet wurden. Auch die Sängerinnen
und Sänger der Kantorei schienen ganz in der Musik und den Texten
aufzugehen.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts schuf Antonio Vivaldi sehr viele Stücke
für Waisenkinder, darunter auch das wunderbare Violinkonzert A-moll
opus 3. Margret Hummel als Solistin konnte das Publikum absolut in ihren
Bann ziehen, die Freude, die dieses Stück vermitteln will, trägt
ihr Geigenbogen klar und rein in die kühlen Steinbögen der Kirche.
Dann führt die musikalische Zeitreise nach Venedig in die Markuskirche,
wo es mehrere Orgeln und Chöre auf den Emporen gibt. Die Zuhörer
befanden sich Anfang 1600 und lauschten dem "Gloria" für
drei Chöre und Orchester von Giovanni Gabrieli.
Die Kantorei, verteilt auf drei Ebenen trägt das Hauptgewicht bei
diesem Stück und wird nur gelegentlich von dem Orchester unterstützt.
Olga Steinle und Manuel Pagitz an den Orgeln vertieften den Eindruck des
"Gloria".
Zum Abschluss erklang ein Stück von Heinrich Isaak "Innsbruck,
ich muss dich lassen", das eigentlich für vier Solosänger
und Instrumente geschrieben wurde.
Das Publikum dankte mit herzlichem Applaus für ein außergewöhnliches
Konzert, das der guten Zusammenarbeit von Florian Hummel und Stefan Skobowsky
zu verdanken ist.
Dorothee Trommer
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