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Die Aufführungen der Marienvesper fanden am Samstag , 8. Dezember 2001 in der Marienkirche in Effringen und am Sonntag, 9. Dezember 2001 in der Ev. Stadtkirche Nagold statt

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Die Mitwirkenden

Zinken : Hans-Jakob Bollinger , Martina Bulla , Lene Langballe

Posaunen : Peter Stelzl , Katherine Couper , Uwe Haase

Flöten : Susanne Seitz , Katja Schönwitz

Violine : Katja Schönwitz , Miriam Risch

Gamben : Angela Knapp , Armin Bereuter , Robert Sagasser (Continuo)

Violone : Matthias Müller

Arciliuto (Erzlaute) : Oswald Hebermehl

Orgel : Christiane Lux

Sopran : Viola Wiemker , Kristine Jaunalksne

Alt : Claudia Wehrstein

Tenor : Benoît Haller , Niels Giebelhausen

Bariton : Clemens Flämig

Ev. Kantorei Nagold

Leitung : Stefan Skobowsky

 

Aus dem Programmheft :

Die Musik der Renaissance hat mit einer überragenden Musikerpersönlichkeit abgeschlossen. Claudio Monteverdi (1567-1643), geboren in Cremona, hat die Renaissance verabschiedet und sein Gesicht dem kommenden Barock zugewandt.

Vesper

Eine der großen Kompositionen von Claudio Monteverdi, die "Vesperae Mariae Virginis" ist ein liturgisches Werk. Die Vesper ist das alte, ursprüngliche Abendgebet der Kirche und hat seinen festen Platz in der Liturgieordnung mit einer verbindlichen Grundstruktur : Einleitung, Psalmen, Hymnus und Magnificat.

Die Psalmen werden eingerahmt von Antiphonen, gregorianischen Gesängen also, deren Texte Aufschluss geben über den Festgedanken, die genaue Zuordnung der Vesper zu einem bestimmten Fest oder Tag. In den Klöstern wird die Vesper jeden Abend gesungen.

Die Ordnung der Vesper ist auch im Evangelischen Gesangbuch zu finden und wird hiermit zum Studium und Gebrauch empfohlen (EKG 781). In lutherischen Kirchen mit langer Musiktradition, wie in der Kreuzkirche zu Dresden oder in der Leipziger Thomaskirche, wird spätsamstags zur Vesper seit Jahrhunderten allwöchentlich eingeladen.

Monteverdi

Claudio Monteverdi war zu Beginn seiner Karriere am Hofe zu Mantua bei Vincenzo Gonzaga als Viola-Spieler angestellt. Mit der angesehenen "Fürsten-Capella" war er des öfteren in den musikalischen Zentren Italiens auf Tournee. Er kannte also die neuesten Trends der Kirchenmusik, vor allem aber die Klangbotschaften der Venezianer. Besonders beeindruckt war er von der mehrchörigen Aufführungspraxis der Meister um Gabrieli (Andrea und der Neffe Giovanni), wobei der ganze Kirchenraum von San Marco gleichsam von allen Seiten in Musik, vokal und instrumental, eingehüllt wurde. Die räumliche Trennung durch verschiedene Emporen, wo die Chöre und Instrumentalgruppen klanglich voneinander abgesetzt wurden, machten diesen Effekt besonders ausdrucksvoll.

Das waren also die musikalischen Errungenschaften der Kirchenmusik, als Claudio Monteverdi in Mantua seine "Marienvesper" schrieb. Er war bereits für weltliche Vokalmusik durch seine Madrigale und vor allem durch seine erste Oper "Orfeo" (1607) zu einer bedeutenden Persönlichkeit geworden.

1610 erschien dann sein "Großer Geistlicher Druck", eine Sammlung kirchenmusikalischer Werke, die neben einer Messe die Marien-Vesper enthält. Diese Sammlung wurde Papst Paul V. gewidmet, nicht ohne Hintergedanken.

Monteverdi versprach sich davon, allerdings vergeblich, eine Freistelle für seinen Sohn Francesco im Seminario Romana. Eine Parallele zu J.S.Bach mit seiner nicht absichtslosen Überreichung der h-moll-Messe am kurfürstlichen Hof zu Dresden. Monteverdi bekam nach dem Tod von Giovanni Gabrieli das hochangesehene Amt des Kapellmeisters an San Marco in Venedig. Am 16. August 1612 wurde er feierlich eingesetzt.

Heinrich Schütz war bis zum Tode Gabrielis in Venedig und kehrte 1628 nochmals in die Lagunenstadt zurück, um auch bei Monteverdi zu studieren. Für einen Lutheraner aus Deutschland war dies eine hohe Ehre.

In Monteverdis zweiter Lebenshälfte in Venedig (1613-1643) hält sein geistliches Werk mengenmäßig seiner weltlichen Komposition die Waage. Monteverdis geistliche Musik wirkte prägend auf die evangelische Kirchenmusik, auf die Geistlichen Konzerte von Schütz, auf die Kantaten Buxtehudes bis zum großen Meister Johann Sebastian Bach (z.B. das "Cruzifixus" der h-moll-Messe).

Marienvesper

Mit der berühmten "Marien-Vesper" von 1610 überlässt Monteverdi ein gewichtiges Werk der Nachwelt.

Die Hauptteile sind die fünf Psalmen : "Dixit Dominus Ps. 109", "Laudate pueri Ps. 112", "Laetatus sum Ps. 121", "Nisi dominus Ps. 126" und "Lauda Jerusalem Ps. 126". Dazu kommt der Hymnus "Ave maris stella" und das "Magnificat" (Lobgesang der Maria, Lukas 1, 46-56). Diese Hauptteile sind in großer Besetzung über gregorianische Melodien komponiert. Dazwischen sind aber solistische Sätze gestellt mit filigraner Instrumentierung. Die Klangpracht der Chorteile ist aufgefächert bis zu zehn Stimmen. Dies verlangt wirklich nach besonderen Räumen, inneren und äußeren.

In die Marienvesper sind die Erfahrungen aus der Mantuaer Zeit eingeflossen. Die Nähe zu "Orfeo" ist deutlich zu vernehmen, etwa bei den virtuosen Zinken- und Violinpaaren mit ihren sphärischen Echowirkungen. Der sehr eindrückliche Eröffnungsteil "Domine ad adiuvandum" gleicht der Toccata des "Orfeo". Man spürt sofort, mit welcher Qualität der Zuhörer gefesselt wird. Das wohl ergreifendste Concerto "Duo Seraphim" besticht durch die ungewöhliche Modulation als "Wettgesang der Engel". Mit der Aneinanderreihung der schwierigsten Koloraturen und raffiniertesten Verzierungen werden die Grenzen menschlicher Gesangstechnik fast überschritten. Hochachtung an alle Tenöre, welche diesen Anspruch meistern.

Die wunderschöne Marien-Hymne "Ave maris stella" basiert auf einer mittelalterlichen Melodie und erscheint melodisch und rhythmisch sehr eingängig.

Mit der Litanei "Sancta Maria ora pro nobis", einem virtuosen Tanzsatz zur Anrufung Mariens, vor dem Magnificat, tun sich evangelische Christen schwer. Viele können dies vom Text her nicht nachvollziehen.

Monteverdi hat diese Vesper für eines der zahlreichen Marien-Feste entworfen. Freie Texte mit Anklängen an das "Hohelied" zeigen die Verdichtung von Poesie und biblischen Texten. Damit steht er in der Tradition seiner Zeit.

Aufführung

Die Aufführung dieses klangvollen Werkes in der evangelischen Stadtkirche Nagold erfolgt zum wiederholten Male.

Die eigentlich problematische akustische Situation, bedingt durch den Basilika-Baustil mit den Emporen und Säulen, schafft gute Voraussetzungen für durchsichtig-weiche Klangtiefe, Echohall und den nasalen Klang der Instrumente.

Diese Raummusik wurde in Venedig auch unter schwierigen Raumbedingungen realisiert und fasziniert seitdem Kirchenmusiker aller Epochen. Die übliche Aufführungspraxis zielt also auf gegliederte Vielfalt, nicht auf Massierung und Monumentalität.

Größe, Art und Flexibilität aller Aufführenden und der Kirchenraum sind also ganz entscheidende Voraussetzung für das Klangerlebnis; das Verschmelzen der besonderen Instrumente, Bläser und Streicher, mit den Chören.

Visuell unterstützt wird die Aufführung durch das Lichtkonzept von PeopleSound. Diese Ausleuchtung der Kirche stammt noch vom vorherigen Klangerlebnis "LichtGotikLiturgie".

Als besonderen Beitrag stellt die Nagolder Künstlerin und Kantorei-Mitglied Eva Maria Stein einen Holzschnitt-Zyklus "Motive zur Marienvesper" in der Stadtkirche aus.

Stefan Skobowsky mit seinen Musici, dem "Monteverdi-Consort", und der Nagolder Kantorei hat dieses Werk mit der ihm eigenen Nachdenklichkeit gründlich einstudiert. Grund genug, wieder einmal in Nagold die eindrückliche Marienvesper zu erleben.

Claudio Monteverdi starb in Venedig am 16. November 1643 und liegt begraben in der Nebenapsis der berühmten Frari-Kirche. Ab und an sollte man dort einen Schwarzwälder Tannenzweig auf seine Grabplatte legen. Dieser große Maestro hat uns doch sehr viel vermacht.

Helmut Raaf

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