aus dem Schwarzwälder Boten vom 22.07.2014
Chor
zahlt das Vertrauen zurück
Nagolder
Kantorei singt beim Sommerkonzert in der Stadtkirche Motetten aus vier
Jahrhunderten
Von Sebastian Bernklau
Nagold. Es war als ein Sommerkonzert der Nagolder Kantorei angekündigt.
Doch wer am Sonntagabend in der Stadtkirche leichte musikalische Kost
erwartet hatte, der sah sich getäuscht. Denn was die Kantorei unter
Leitung von Eva-Magdalena Ammer da zu Gehör brachte, war komplex,
anspruchsvoll und jenseits von so manchen Hörgewohnheiten.
Ammer hatte ein Programm aus Motetten aus vier verschiedenen Jahrhunderten
zusammengestellt. Das reichte vom großen Heinrich Schütz über
Johann Christoph Bach - ein Mitglied der großen Bachfamilie, das
älter als der große Johann Sebastian war - den großen
Romantiker Felix Mendelssohn-Bartholdy bis hin zu Komponisten aus dem
20. Jahrhundert wie Hugo Distier und dem Vater des Nagolder Stadtmusikdirektors
Florian Hummel, Bertold Hummel und dem noch lebenden Norweger Knut Nystedt.
Stilistisch zog sich also kein roter Faden durch das Programm. Und auch
die Bezeichnung einer Motette gibt dem Zuhörer wenige Anhaltspunkte.
Denn anders als bei klar definierten Formen wie einer Fuge, einer Sinfonie
oder einem Klavierkonzert, hat sich die Form der Motette über die
Jahrhunderte verändert.
Und so hörten die Besucher in der gut gefüllten Stadtkirche
ein beeindruckendes Musik-Kaleidoskop, das sie mitnahm auf eine Reise
durch die Geschichte der klassischen Musik.
Ein so komplexes Programm bedeutet, dass Eva-Magdalena Ammer ihrer Nagolder
Kontorei viel zutraut. Und der große Chor zahlte dieses große
Vertrauen mit einem beeindruckenden Konzert zurück. Das startete
mit einer formalen Besonderheit, denn das erste Stück von Knut Nystedt
stimmten die Sänger bereits während ihres Einmarsches durch
den Mittelgang der Kirche an. Einen technisch wie musikalisch anspruchsvollen
Ausflug in die Barockzeit stellte "Ich lasse dich nicht, du segnest
mich denn" aus der Feder des Johann Christoph Bach dar.
Ganz unterschiedliche Welten prallten bei den nächsten Stücken
aufeinander. Sowohl Heinrich Schütz (1585-1672) als auch Hugo Distler
(1908-1942) hatten sich des gleichen Textes angenommen. Bei der Aufführung
zeigte sich, wie flexibel die Kantorei agieren kann. Vor allem beim Distler-Stück
gelang dem Chor trotz seiner personellen Stärke ein überaus
angenehmer schlanker Klang.
Das kam dem Chor auch bei den elegischen Klangwelten des Bertold Hummel
in dessen "Gloria" zugute, das die Sänger in großer
Klarheit und Sauberkeit intonierten. Klangstark erwies sich die Kantorei
auch bei "Richte mich, Gott" des Romantikers Felix Mendelssohn-Bartholdy,
das im Vergleich zu den anderen Stücken einfacher strukturiert und
somit zugänglicher war.
Als Kontrapunkt zu den - musikalisch wie thematisch - ernsten und gravitätischen
Motetten, spielte der Organist Leonhard Völlm Stücke von Dietrich
Buxtehude (1637-1707) und Christian Heinrich Rinck (1770-1846), bei denen
der Musiker die ganze Bandbreite der restaurierten Kirchenorgel nutzte,
um bei aller Ernsthaftigkeit auch den einen oder anderen musikalischen
Scherz einzubauen.
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